Einem übergangenen Miterfinder steht ein Schadensersatzanspruch zu, der auch einen Ausgleich für vom Anmelder gezogene Gebrauchsvorteile umfassen kann

Einem übergangenen Miterfinder steht ein Schadensersatzanspruch zu, der auch einen Ausgleich für vom Anmelder gezogene Gebrauchsvorteile umfassen kann

Stehen Miterfindern die Rechte an der Erfindung in Bruchteilsgemeinschaft zu, ist die Anmeldung zum Patent durch einen Miterfinder jedenfalls dann nicht als notwendige Maßnahme zur Erhaltung des Gegenstands gerechtfertigt, wenn der Anmelder die Anmeldung nur im eigenen Namen vornimmt.

Einem auf diese Weise übergangenen Mitberechtigten steht ein Schadensersatzanspruch zu, der auch einen Ausgleich für vom Anmelder gezogene Gebrauchsvorteile umfassen kann (Weiterführung von BGH, Urteil vom 22. März 2005 X ZR 152/03, BGHZ 162, 342 Gummielastische Masse II).

BGH URTEIL X ZR 163/12 vom 27. September 2016 – Beschichtungsverfahren

PatG § 6 Satz 2, § 33 Abs. 1; BGB § 744 Abs. 2, § 745 Abs. 2, § 823 Abs. 1 Ag

BGH, Urteil vom 27. September 2016 – X ZR 163/12 – OLG München
LG München I
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. August 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin zu 1 wird das Urteil des 6. Zivilse-nats des Oberlandesgerichts München vom 29. November 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin die Anträge auf Verurteilung der Beklagten zu 1 zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung für die Zeit bis zur Klagezustellung und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht abgewiesen worden sind.
Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des Landge-richts München I vom 4. Februar 2011 wird im Umfang von dessen Ausspruch zu I.4. in der Fassung des Berufungsurteils auch für die Zeit bis zur Klagezustellung und des Ausspruchs zu III.2 zurück-gewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin zu 1 wird die Beklagte zu 1 verurteilt, der Klägerin auch für die Zeit seit dem 20. Juli 2006 nach Maßgabe des Ausspruchs zu 2.II im Berufungsurteil Aus-kunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Ferner wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 der Klägerin zu 1 zum Ersatz allen Scha-dens verpflichtet ist, der ihr oder dem Kläger zu 2 aus der Anmel-dung des deutschen Patents 10 2005 002 706 entstanden ist.
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Die in erster und zweiter Instanz sowie im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde entstandenen Kosten werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten tragen die Beklagte zu 1 72 %, die Kläge-rin zu 1 20 %, der Kläger zu 2 4 % und die Beklagten als Gesamt-schuldner ebenfalls 4 %.
Die Beklagte zu 1 hat der Klägerin zu 1 78 % von deren außerge-richtlichen Kosten zu erstatten. Die Beklagten tragen als Gesamt-schuldner 54 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 tragen die Klägerin zu 1 20 % und der Kläger zu 2 4 %. Von den außerge-richtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und 3 trägt der Kläger zu 2 46 %.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte zu 1.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1 (im Folgenden nur: Klägerin) ist ein in Belgien ge-schäftsansässiges mittelständisches Unternehmen, das sich mit der Entwick-lung neuer Verfahren zur Korrosionsschutzbeschichtung von Metallen beschäf-tigt; der Kläger zu 2 ist ihr Geschäftsführer (im Folgenden zusammen nur: Klä-ger). Die Beklagte zu 1 (im Folgenden nur: Beklagte) ist ein in der Automobilzu-lieferungsindustrie tätiges Unternehmen; die Beklagten zu 2 und 3 sind ihre Mitarbeiter. Die Klägerin und die Beklagte arbeiteten ab 2002 im Rahmen eines
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von D. initiierten Projekts zur verbesserten Oberflächenbehand- lung von Stählen zusammen.
Am 23. Dezember 2005 meldete die Beklagte beim Europäischen Pa-tentamt ein Beschichtungsverfahren unter Inanspruchnahme der Priorität der am 20. Juli 2006 offengelegten, ebenfalls nur von der Beklagten vorgenomme-nen deutschen Patentanmeldung 10 2005 002 706 vom 19. Januar 2005 (im Folgenden nur: deutsche Patentanmeldung) zum Patent an. Diese Anmeldung mit der Nummer 1 683 892 (im Folgenden nur: europäische Patentanmeldung) wurde am 26. Juli 2006 veröffentlicht. In beiden Anmeldungen sind die Beklag-ten zu 2 und 3 als alleinige Miterfinder genannt. Gegenstand des im Erteilungs-verfahren zuletzt formulierten Patentanspruchs 1 der europäischen Patentan-meldung ist in merkmalsmäßiger Gliederung ein Verfahren
1. zum Aufbringen einer festen metallischen Beschichtung auf ein Profilbauteil aus Stahlblech,
2. wobei das Profilbauteil in einem Behandlungsraum mit einem zink- oder zinkoxidhaltigen Metallpulver eingenebelt
3. und das Metallpulver elektrostatisch auf der Oberfläche des Pro-filbauteils vollflächig abgeschieden wird,
4. worauf eine Wärmebehandlung des Profilbauteils
5. bei einer Temperatur zwischen 280°C und 350°C
6. über einen Zeitraum von 0,5 h bis 4 h vorgenommen wird,
7. bei welchem durch einen Diffusionsprozess zwischen dem Stahlblech und dem Metallpulver
8. bis zu 5 μm bis 40 μm dicke Eisen-Zink-Legierungsschichten ausgebildet werden,
9. woran sich eine Abkühlung des Profilbauteils anschließt.
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Auf die deutsche Patentanmeldung ist der Beklagten inzwischen ein Pa-tent erteilt worden. Sein Patentanspruch 1 ist wortgleich mit dem vorstehend wiedergegebenen Anspruch 1 der europäischen Patentanmeldung.
Die Kläger haben vor dem Landgericht geltend gemacht, der Kläger zu 2, der seine Rechte der Klägerin übertragen hat, sei der alleinige Erfinder der technischen Lehre der europäischen Patentanmeldung; die Beklagten hätten diese Lehre widerrechtlich entnommen. Sie haben vor dem Landgericht bean-tragt, die Beklagte zu verurteilen, den Anspruch auf Erteilung des europäischen Patents an die Klägerin abzutreten und gegenüber dem Europäischen Patent-amt die Zustimmung zur Benennung des Klägers zu 2 als Alleinerfinder zu er-klären, diesbezügliche Korrespondenz und Unterlagen herauszugeben und der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über etwaige parallele Schutzrechtsanmeldungen und – in näher bestimmter Weise – die Nutzung des angemeldeten Verfahrens sowie der unmittelbar dadurch hergestellten Profil-bauteile, über Lizenznehmer und -einnahmen, den Austausch oder Verkauf der Erfindungsrechte, Art und Umfang der Benutzung des angemeldeten Beschich-tungsverfahrens nach Umsatz, Herstellungsmengen und -zeiten, über die Men-gen erhaltener oder bestellter unmittelbarer Verfahrenserzeugnisse und die ein-zelnen Lieferungen und Bestellungen solcher Erzeugnisse sowie über die ge-werbliche Werbung seit dem Veröffentlichungstag der Anmeldung. Des Weite-ren haben sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte für die aus der Eigen- und Fremdnutzung des Gegenstands der europäischen Patentanmeldung seit deren Veröffentlichung gezogenen Vorteile ausgleichspflichtig ist und der Klä-gerin allen Schaden ersetzen muss, der ihr aus der unberechtigten Patentan-meldung entstanden ist; außerdem, dass die Beklagten dem Kläger zu 2 ge-samtschuldnerisch allen Schaden ersetzen müssen, der ihm aus der unrichti-gen Erfinderbenennung entstanden ist.
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Das Landgericht hat die Beklagten verpflichtet, in eine 90 prozentige Mit-berechtigung der Klägerin an der Streitpatentanmeldung und die Nennung des Klägers zu 2 als Miterfinder einzuwilligen, und der Klage hinsichtlich der weite-ren Anträge stattgegeben.
Dagegen haben die Beklagten Berufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung und die Klägerin mit dem Ziel der vollständigen Abtretung der europäischen Patentanmeldung und deren Umschreibung allein auf sie einge-legt. Der Kläger zu 2 hat sich der Berufung mit dem Ziel angeschlossen, als alleiniger Erfinder benannt zu werden. Ebenfalls im Wege der Anschlussberu-fung haben die Kläger ihre Übertragungs- und Schadensersatz- sowie Aus-kunftsansprüche auf die inzwischen zum Patent erstarkte deutsche Patentan-meldung erstreckt.
Das Berufungsgericht hat das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten dahin abgeändert, dass diese verpflichtet ist, der Klägerin eine Mitbe-rechtigung an der Streitpatentanmeldung ohne bezifferten prozentualen Anteil einzuräumen. Die Feststellungsklage, dass die Beklagte der Klägerin zum Er-satz allen Schadens aus der unberechtigten Patentanmeldung verpflichtet sei, hat das Berufungsgericht abgewiesen. Den Ausgleichsanspruch wegen der Nutzung der Erfindung und die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche hat es erst für die Zeit ab Zustellung der Klageschrift zuerkannt und davon die Angaben zu den Namen und Anschriften der einzelnen Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer bzw. Abnehmer sowie zu den einzelnen Angeboten und Namen der gewerblichen Angebotsempfänger und zur betriebenen Wer-bung ausgenommen. Entsprechend hat das Berufungsgericht in Bezug auf die deutsche Patentanmeldung entschieden.
Gegen das Urteil haben die Parteien Nichtzulassungsbeschwerde einge-legt. Der Senat hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zuge-
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lassen, soweit das Berufungsgericht ihre Klage auf Feststellung, dass die Be-klagte zu 1 ihr zum Ersatz allen aus den unberechtigten Patentanmeldungen entstandenen Schadens verpflichtet ist, abgewiesen und Auskunfts- und Rech-nungslegungsansprüche für die Zeit bis zur Klageerhebung verneint hat. Im Üb-rigen hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerden zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils im Umfang der Revisionszulassung die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz allen aus der Anmeldung der beiden Schutzrechte entstandenen Schadens auszusprechen und die Auskunftsund Rechnungslegungsansprüche bereits für die Zeit ab Veröffentlichung der Anmeldungen zuzuerkennen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit im Revisions-verfahren von Bedeutung, wie folgt begründet: Im Hinblick darauf, dass der Kläger zu 2 nicht Alleinerfinder des Gegenstands der beiden Anmeldungen sei, sondern der Beklagten hieran eine Mitberechtigung zustehe, könne nicht ange-nommen werden, dass diese sich wegen unberechtigter Anmeldung der Erfin-dung zum deutschen und europäischen Patent schadensersatzpflichtig ge-macht habe. Im Übrigen unterliege das Rechtsverhältnis der Klägerin und der Beklagten mangels abweichender Regelungen dem Recht der Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB). Der Klägerin stehe ein Ausgleichsanspruch gemäß § 745 Abs. 2 BGB erst ab der erstmaligen Geltendmachung zu, die hier in der Klage-erhebung liege. Dementsprechend könne sie die (eingeschränkten) Auskünfte erst ab Rechtshängigkeit verlangen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Auf den Streitfall ist deutsches Recht anzuwenden. Das ergibt sich aus den Bestimmungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetz-buch über außervertragliche Schuldverhältnisse (Art. 38 f. EGBGB). Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Solche An-sprüche macht die Klägerin im Streitfall geltend.
Der Begriff der unerlaubten Handlung des deutschen internationalen Pri-vatrechts ist weiter als seine materiellrechtliche Entsprechung in den §§ 823 ff. BGB. Er erfasst das gesamte Feld der außervertraglichen Schadenshaftung (vgl. BT-Drucks. 14/343, S. 11; Wurmnest in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, Art. 40 EGBGB Rn. 8). Darunter fallen als Ansprü-che aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis auch im Innenverhältnis der Teil-haber von Gemeinschaften geltend gemachte Schadensersatzansprüche we-gen der Verletzung von Rechten und Pflichten aus den §§ 742 ff. BGB (vgl. Pa-landt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 741 Rn. 9). Diese Ansprüche können auf § 280 BGB gestützt werden (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 I ZR 162/11, GRUR 2013, 717 Rn. 52 Covermount; Palandt/Grüneberg aaO § 280 Rn. 9).
Die Klägerin leitet ihre Ansprüche aus Handlungen her, die auf deut-schem Hoheitsgebiet vorgenommen wurden, nämlich die Anmeldungen der Er-findung zum deutschen und europäischen Patent und macht damit i. S. von Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die außervertragliche Schadenshaftung der Beklagten geltend.
Das anwendbare Recht ergibt sich aus den Bestimmungen des Einfüh-rungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch über außervertragliche Schuld-verhältnisse (Art. 38 ff. EGBGB) und nicht aus der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-
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IIVO), weil die Zeit der Handlungen vor dem für die Anwendung der Rom-IIVerordnung maßgeblichen Stichtag, dem 11. Januar 2009 (Art. 32 Rom-IIVO), liegt.
2. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für einen Schadens-ersatzanspruch der Klägerin zu Unrecht verneint.
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Verhältnis der Klägerin und der anstelle der Beklagten zu 2 und 3 berechtigten Beklagten mangels anderweitiger getroffener Vereinbarungen nach den §§ 741 ff. BGB regelt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 – I ZR 223/98, GRUR 2001, 226 Rollenantriebseinheit; Urteil vom 22. März 2005 X ZR 152/03, BGHZ 162, 342 Gummielastische Masse II; Ur-teil vom 21. Dezember 2005 – X ZR 165/04, GRUR 2006, 401 Rn. 9 Zylinder-rohr). Nach seinen Feststellungen gehen wesentliche Elemente der bean-spruchten technischen Lehre, die Merkmale 1 und 2 sowie 4 bis 9, auf den Klä-ger zu 2 zurück und wurden von der Klägerin Mitarbeitern der Beklagten vor dem für die europäische Patentanmeldung maßgeblichen Prioritätstag vermit-telt, während das Merkmal 3 nach dem Zusammenhang der Gründe des Beru-fungsurteils der Sphäre der Beklagten zuzuordnen ist.
b) Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe aufgrund ihrer Mitberechtigung an der Erfindung bei deren Anmeldung zum deutschen und europäischen Patent nicht rechtswidrig gehandelt, kann aus Rechtsgrün-den nicht beigetreten werden.
aa) Nach dem festgestellten Sachverhalt war sich die Beklagte im Zeit-punkt der für die europäische Patentanmeldung prioritätsbegründenden deut-schen Patentanmeldung der Mitberechtigung des Klägers zu 2 und damit des Umstands bewusst, dass an dem Gegenstand der Erfindung eine gemein-schaftliche Berechtigung bestand. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Ge-
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genstands steht den Teilhabern nach § 744 Abs. 1 BGB grundsätzlich gemein-schaftlich zu; nur die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln darf nach § 744 Abs. 2 BGB jeder Teilhaber ohne Zustimmung der anderen tref-fen. Als solche von § 744 Abs. 2 BGB privilegierte Erhaltungsmaßnahme kön-nen die Anmeldungen der Beklagten nicht gelten.
Inwieweit die Anmeldung einer Erfindung zum Patent als solche als eine von § 744 Abs. 2 BGB gedeckte Erhaltungsmaßnahme zu bewerten ist (vgl. dazu Busse/Keukenschrijver, 7. Aufl., § 6 PatG Rn. 44; eingehend Henke, Die Erfindungsgemeinschaft, 2005 Rn. 435 ff. mwN), bedarf im Streitfall keiner ab-schließenden Beurteilung. Denn auch unter der Prämisse, dass die Anmeldung der Erfindung zum Patent einem Miterfinder stets oder zumindest in Fällen dro-hender anderweitiger Veröffentlichung nach § 744 Abs. 2 BGB ohne vorherige Absprache mit den übrigen Teilhabern erlaubt sein müsse, handelt der anmel-dende Teilhaber jedenfalls dann nicht rechtmäßig, wenn er bei der Anmeldung unzutreffende Angaben über die Personen der Miterfinder macht und sich zu Unrecht als alleiniger Berechtigter an der Erfindung geriert.
Dass die Anmeldung einer gemeinsamen Erfindung nur dann einer nach § 744 Abs. 2 BGB zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstands notwen-digen Maßnahme entspricht, wenn sie auf den Namen aller Teilhaber erfolgt, und dass der lediglich mitberechtigte Anmelder demgegenüber rechtswidrig handelt, wenn er die Erfindung nur auf seinen Namen anmeldet, hat bereits das Reichsgericht angenommen (RG, Urteil vom 30. April 1927 I 191/26, RGZ 117, 47, 50 f. Blechhohlkörper; zustimmend Busse/Keukenschrijver, aaO).
Diese Sichtweise trifft zu. Ist der Anmelder nur Mitberechtigter an der Er-findung, darf er auch die Patentanmeldung jedenfalls nicht nur im eigenen Na-men einreichen, sondern darf dies allenfalls für die Gemeinschaft der Berechtig-ten tun. Es entspricht zudem den Pflichten des Anmelders aus § 37 Abs. 1
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PatG, den (oder die) Erfinder zu benennen und zu versichern, dass weitere Personen seines Wissens an der Erfindung nicht beteiligt sind. Ebenso ist nach Art. 81 EPÜ der Erfinder in der europäischen Patentanmeldung zu nennen. Nach Regel 19 Abs. 3 teilt das Europäische Patentamt jedem genannten Erfin-der unter anderem den Namen des Anmelders und die Bezeichnung der Erfin-dung mit. Mit dieser Unterrichtung sollen die benannten Erfinder über die An-meldung unterrichtet werden, damit sie ihre Rechte wahrnehmen können (vgl. Benkard/Schäfers, EPÜ, 2. Aufl., Art. 81 Rn. 20).
Wird hiergegen verstoßen, schafft der Anmelder die äußeren Vorausset-zungen für die alleinige Verwertung (auch) der fremden schöpferischen Beiträ-ge und beugt zugleich dagegen vor, dass diejenigen, die diese erbracht haben, überhaupt von ihrem Recht aus § 745 Abs. 2 BGB Gebrauch machen und eine dem Interesse aller Beteiligten nach billigem Ermessen entsprechende Verwal-tung und Benutzung verlangen. Dies betrifft sowohl die Gestaltung der Patent-anmeldung selbst als auch die Nutzung ihres Gegenstands und die Geltendma-chung von Ansprüchen gegenüber Dritten. Unabhängig davon, ob der Anspruch aus § 33 Abs. 1 PatG neben dem Anmelder auch dem “nur” materiell Berechtig-ten zusteht (s. dazu Busse/Keukenschrijver, 7. Aufl., § 33 PatG Rn. 6), setzt die Wahrnehmung sämtlicher Rechte voraus, dass dem (Mit-)Berechtigten die An-meldung der Erfindung zum Patent nicht vorenthalten wird.
bb) Die Anmeldung der Schutzrechte allein für die Beklagte verletzt im Übrigen gleichermaßen das (unvollkommene) absolute Immaterialgüterrecht an der Erfindung, das als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 geschützt ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2010 – X ZR 79/07, BGHZ 185, 341 Rn. 28 – Steuer-vorrichtung; vom 17. Januar 1995 X ZR 130/93, Mitt. 1996, 16 ff. Gummi-elastische Masse I; Urteil vom 24. Oktober 1978 X ZR 42/76, GRUR 1979, 145, 148 Aufwärmvorrichtung; RG, Urteil vom 7. Dezember 1932 I 189/32, RGZ 139, 87, 92 Kupferseidenfaden). Ebenso wie die Position als Teilhaberin
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nicht dazu berechtigt, andere Teilhaber aus der Gemeinschaft zu drängen oder ihnen wie hier – deren Existenz vorzuenthalten, schützt § 823 Abs. 1 BGB den Miterfinder dagegen, dass seine Mitberechtigung von anderen Teilhabern über-gangen wird.
III. Das Berufungsurteil ist hiernach insoweit aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, hat der Senat selbst in der Sache zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
1. Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 und § 823 Abs. 1 BGB hat die Beklagte der Klägerin den aus der Verletzung ihrer Pflichten aus dem Gemeinschaftsver-hältnis entstehenden Schaden zu ersetzen. Diese Verpflichtung ist antragsge-mäß festzustellen (§ 256 Abs. 1 ZPO).
a) Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, ein Schaden der Klägerin komme nicht in Betracht, da es für erlittene Vermögensnachteile außerhalb der vorenthaltenen Mitberechtigung und der daraus von der Beklagten gezogenen Vorteile an jedem Anhalt fehle und auch die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung nicht auf die Ermittlung der Grundlagen für die Bezifferung eines solchen Schadens gerichtet seien.
Der aus der ungerechtfertigten Alleinanmeldung der Schutzrechte herge-leitete Schadensersatzanspruch umfasst die Verpflichtung zum Ausgleich sämt-licher Vermögensnachteile, die die Klägerin infolge der Anmeldung der Erfin-dung zum Patent allein im Namen der Beklagten und deren hieraus entstande-ne formelle Alleinberechtigung an den Patentanmeldungen erlitten hat, und schließt einen der Klägerin entgangenen Ausgleich der Vorteile ein, die die Be-klagte aus der Nutzung des Gegenstands der Anmeldungen gezogen hat. Dass das Berufungsgericht diese Verpflichtung in der Urteilsformel zu 1.III.1 und 2.III (für die Zeit ab Klagezustellung) gesondert ausgesprochen hat, ändert daran nichts. Sie betrifft zum einen in zeitlicher Hinsicht nur die Vorteile, die die Be-
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klagte aus der Nutzung der Erfindung gezogen hat, nachdem die Klägerin mit der Klage eine Regelung der Benutzung verlangt hat. Zum anderen schließt ein hierauf gestützter Ausgleichsanspruch sachlich nicht aus, dass dasselbe Begehren auch auf den Gesichtspunkt eines aus der unberechtigten Anmel-dung entstandenen Schadens gestützt werden kann. Das Rechtsschutzinteres-se an der Feststellung der Ersatzpflicht setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Verletzung absolut geschützter Rechte nur die Möglich-keit, bei reinen Vermögensschäden die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts voraus (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 27 mwN). Dafür, dass es an dieser Voraussetzung mangel-te, bietet das Berufungsurteil keine Anhaltspunkte, und dies ist auch nicht gel-tend gemacht.
b) Der Verpflichtung zum Schadensersatz steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Ansprüchen des Mitinhabers eines gemein-schaftlichen Patents gegen einen die Erfindung (allein) benutzenden anderen Mitinhaber auch sachlich nicht entgegen. Danach kann zwar von dem die Erfin-dung im Rahmen des § 743 Abs. 2 BGB (allein) benutzenden Mitinhaber ein anteiliger Ausgleich für gezogene Gebrauchsvorteile nicht verlangt werden, so-lange die Mitinhaber hierüber weder eine Vereinbarung noch einen Beschluss getroffen haben und auch ein insoweit nach § 745 Abs. 2 BGB bestehender Anspruch nicht geltend gemacht ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2005 X ZR 152/03, BGHZ 162, 342 Gummielastische Masse II). Auf diese Be-schränkung seiner Ansprüche kann ein Mitinhaber aber allenfalls verwiesen werden, wenn er Ausgleichsansprüche in Kenntnis der Existenz einer Gemein-schaft oder unter der positiven Kenntnis gleichkommenden Umständen nicht geltend gemacht hat, was im Streitfall nicht in Rede steht.
c) Schließlich bleibt die Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch da-von unberührt, dass bei der Ermittlung der Vermögensnachteile der Klägerin die
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sich aus § 33 PatG und Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜbkG ergebenden Wertungen zu berücksichtigen sein werden. Solange das Schutzrecht noch nicht erteilt ist, kann der Anmelder allerdings nach diesen Bestimmungen von demjenigen, der den Gegenstand der Anmeldung benutzt hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass die von ihm benutzte Erfindung Gegenstand der Anmeldung war, eine nach den Umständen angemessene Entschädigung verlangen. Dement-sprechend und unter Berücksichtigung der Mitberechtigung der Beklagten kann der Klägerin jedenfalls kein Anspruch zustehen, der die Höhe einer solchen nach den Umständen angemessenen Entschädigung überstiege. Denn als Rechtsnachfolgerin des Miterfinders kann sie im Verhältnis zur Beklagten nicht besser stehen als gegenüber einem außenstehenden Dritten, gegen den ihr nach § 33 PatG und Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜbkG auch nur eine nach den Um-ständen angemessene Entschädigung zustünde.
2. Auskunft und Rechnungslegung kann die Klägerin nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 242 BGB in Verbindung mit § 259 Abs. 1 und § 260 Abs. 1 BGB analog verlangen. Die entsprechenden Pflichten bestehen auch im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1994 X ZR 82/92, BGHZ 126, 109, 113; Urteil vom 20. Mai 2008 – X ZR 180/05, BGHZ 176, 311 Rn. 31 Tintenpatrone I jeweils mwN) und erstrecken sich je-denfalls auf die vom Berufungsgericht für die Zeit ab Klageerhebung zuerkann-ten Angaben.
Da der Schadensersatzanspruch, wie ausgeführt, die aus der Anmeldung gezogenen Vorteile einschließt, geht der Einwand der Beklagten ins Leere, die begehrte Verpflichtung zur Auskunftserteilung hierüber sei nicht von der Zulas-sung der Revision umfasst.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 und 2 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher
Deichfuß Kober-Dehm

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